Journalistenalltag

Gemeinhin haben ja viele Leute die Vorstellung, dass man als Fotojournalist die meiste Zeit des lieben langen Tages mit fotografieren beschäftigt ist – schön wär’s… Die Realität sieht (leider) etwas anders aus und besteht zu großen Teilen aus warten. Weil dem so ist und mir viele jetzt vielleicht nicht glauben wollen, möchte ich heute einfach mal den Werdegang eines ganz normales Agenturauftrages beschreiben.

Angefangen hatte alles am Donnerstag letzter Woche, als ich einen Anruf von der Agentur bekam mit der Anfrage, ob ich Dienstag und Mittwoch Zeit hätte Aufnahmen beim Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Hypo-Real-Estate bzw. von den geladenen Personen anzufertigen. Na klar – kein Problem!

Also am Dienstag morgen rein ins Auto und hin zum Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Dort angekommen stellte sich als erstes heraus, dass die Agentur leider vergessen hatte mich zu akkreditieren (Randinfo: in den Gebäuden des Deutschen Bundestages genügt der normale Presseausweis nicht. Um hier Eintritt zu erhalten, muss die Agentur für den Fotografen einen speziellen Ausweis beantragen). Dieser Ausweis war aber nicht da: der Tag fing ja gut an!

Nach einem kurzem Anruf in der Agentur wurde das Problem umgehend gelöst und mein Ausweis lag Minuten später beim Bundespresseamt zur Abholung bereit. Dumm nur, dass es zwei Adressen gab und ich nach Murphy’s Law selbstverständlich zuerst bei der Falschen war. Auf diese Weise lernt man zumindest das Berliner Regierungsviertel ein bisschen besser kennen…

Eine halbe Stunde stäter, mit gültigem Ausweis und stolz geschwellter Brust als rein zur Anhörung, die nun jedoch schon lange begonnen hatte und der für den Tag wichtigste Zeuge schon hinter verschlossenen Türen saß und ich keine Bilder hatte. Mist!

Nach scheinbar endlosem Warten (ca. 2h) öffnete sich unvermittelt die Tür und ein kleiner grauhaariger Mann verließ schnellen Schrittes und mit gesengtem Kopf den Ausschusssaal. Bildausbeute: 4 Aufnahmen von hinten und oben aber ohne das Gesicht – defacto also: kein Bild.

Dreißig Minuten später kam dann die nächste Zeugin. Also Kamera schnappen und für ca. 3min in den Sitzungssaal und möglichst viele unterschiedliche Aufnahmen von ihr und allen anderen Protagonisten machen. Als wir dann höflich aber bestimmt aufgefordert wurden den Saal wieder zu verlassen, begann wie immer der eigentliche Job: Bilder auf den Laptop laden, Aufnahmen aussuchen, Nachbearbeiten und das Wichtigste zum Schluss – die Beschriftung (schließlich muss der Mensch am Desk in der Agentur ja wissen wen man da fotografiert hat bzw. ein potentieller Käufer muss das Bild nachher auch anhand des Namens im Text finden können). Abschließend  die fertigen Bilder noch zur Agentur senden und fertig.

Jetzt hieß es wieder, zusammen mit schätzungsweise 25 Kollegen (zumeist vom TV), lange warten… um das ganze Spielchen insgesamt noch zweimal zu wiederholen. Zur Abwechslung kamen wenigstens ab und zu die einzelnen Obmänner und –frauen der verschiedenen Fraktionen heraus um ein kleines Statement vor den laufenden Kameras der anwesenden Nachrichtensender abzugeben. Das gibt dann auch noch einmal ein paar Bilder – manchmal zumindest. Gefühlte Ewigkeiten später – Feierabend!

Fazit des ersten Tages: 10min fotografiert, 30min nachbearbeitet und beschriftet und 5h gewartet

Der heutige zweite Tag verlief dann prinzipiell genauso. Der Unterschied war aber, dass ich meinen Ausweis schon hatte, somit pünktlich war und auch nur zwei Personen geladen waren (die dafür aber umso wichtiger waren).

Fazit des zweiten Tages: 10min fotografiert, 30min nachbearbeitet und beschriftet und nur 3h gewartet

Wie ihr seht besteht das Leben als Bildjournalist nicht unbedingt aus fotografieren (Ausnahmen bestätigen wenigstens manchmal die Regel). Das wäre sonst ja auch zu schön. Je nach Veranstaltung wartet man sehr viel und lange und hofft immer auch an der richtigen Stelle zu stehen. Wenn dann etwas passiert muss man schnell sein und natürlich seine Technik im Griff haben, denn viel Zeit zum Überlegen oder Kamera einstellen hat man keine und Fehler schleichen sich verdammt schnell ein.

Wenn sich jetzt der Eine oder Andere fragt, was man in der Wartezeit machen kann – weggehen geht nicht, da man nicht weis, wann etwas geschehen wird. Also ist eine sehr gute Option um sich die Zeit zu vertreiben ein gutes Buch dabei zu haben (machen viele) oder aber sich die Wartezeit mit den Kollegen zu vertreiben. Letzteres empfinde ich immer als sehr spannend und unterhaltsam – da die meisten tolle Typen sind.

Außerdem hat man ja die ganze Zeit sein Lieblingsspielzeug – die Kamera dabei – und kann hier und da ein bisschen rumspielen (siehe oben) 😉

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